Technologie, Lernen und Anwendung aus interdisziplinärer Perspektive

Kooperatives Promotionskolleg Wissensmedien

Die wachsende digitale Durchdringung und die Covid-19-Pandemie verstärken die Notwendigkeit der Digitalisierung in fast allen Bereichen der Gesellschaft. Daher fokussiert man auch im Bildungssystem zunehmend Möglichkeiten und Anwendbarkeit von Technologien aus unterschiedlichen Perspektiven.

Das kooperative Promotionskolleg wird gefördert vom Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg (MWK).

12Promotionsthemen
3Hochschulen
870.000Euro Fördervolumen
4,5Jahre Laufzeit

Überblick

Das Promotionskolleg „Wissensmedien“ spannt einen didaktischen, medien- und kognitionspsychologischen sowie technologiegestützten Bogen vom Wissen zum Menschen und positioniert diesen in einen interdisziplinären Rahmen in den fünf „Wissens-Feldern“

  • Wissenserwerb (Kognition, Psychologie),
  • Wissensvermittlung (Pädagogik, Didaktik),
  • Wissensmedien (Information, Systeme, Technologien),
  • Wissensinteraktion (Interaktive Systeme, Medientechnologie) und
  • Wissenstechnologien (Künstliche Intelligenz).

Die einzelnen kooperativen Promotionsvorhaben bearbeiten im Rahmen des Qualifizierungskonzepts in einer Eingangs-, Forschungs- und Abschlussphase Spezifika in diesen Domänen und kontextualisieren diese mit übergreifenden Themen und Methodentransfer im Rahmen des Promotionskollegs. Die interdisziplinäre und hochschulübergreifende Zusammenarbeit im Promotionskolleg Wissensmedien dient dazu, das übergeordnete Ziel einer nachhaltigen Integration von digitaler Technologie in unterschiedlichen Bildungskontexten zu erreichen.

Promotionsthemenfelder

Regelmäßige Rückmeldungen zum aktuellen Lernstand, zur aktuellen Diskrepanz zum Lernziel und zu adäquaten nächsten Lernschritten (sogenanntes formatives Feedback; Shute, 2008) gelten als eine der lernwirksamsten Interventionen im schulischen Unterricht (Hattie & Timperley, 2007). Im vorliegenden Teilprojekt werden sowohl nutzer- wie technologieseitige Gelingensbedingungen für die Hebung dieser Potentiale untersucht. Dazu soll in einem ersten Experiment untersucht werden, inwiefern Visualisierungstechniken (zum Beispiel Heatmaps, Dendrogramme, Hierarchical Edge Bundles) es erlauben, Informationen aus den Ihnen zu Grunde liegenden Datenanalysetechniken (zum Beispiel Hierarchical Clustering) so zu kommunizieren, dass es Lehrenden leichter fällt, Leistungsgruppen oder curriculare Subkomponenten zu identifizieren.

Die Entwicklung und Nutzung einer umfassenden literalen Kompetenz ist für die Teilhabe an einer modernen Medien- und Informationsgesellschaft unverzichtbar (Anskeit 2019). In diesem Zusammenhang werden dem Lesen und Schreiben vielfältige und weitreichende Funktionen zugeschrieben (Anskeit/Steinhoff 2019). Damit unterliegen Kinder und Jugendliche „grundlegenden Wandlungen im Zeichen der Medialisierung, die die Deutschdidaktik und den Deutschunterricht zur fachspezifischen Integration Neuer Medien herausfordern“ (Frederking 2006: 557f.). Im Mittelpunkt des Teilprojekts stehen Auswirkungen einer digitalen Lese- und Schreibförderung im Übergang von der Grundschule zur Sekundarstufe I.

In der Forschung zu Wissensmedien stellt die Cognitive Load Theory (CLT; Sweller, van Merrienboer & Paas, 1998, 2019) einen wichtigen theoretischen Rahmen dar. Im Kern besagt diese Theorie, dass es eine intrinsische kognitive Belastung (den eigentlichen Lerninhalt) und eine extrinsische kognitive Belastung (Ablenkungen durch schlechte Gestaltung) gibt. Während dieser Ansatz bei klassischen Lernmedien empirisch gut belegt ist, stellen neue Technologien diesen Ansatz vor Herausforderungen (Skulmowski & Xu, 2021): In diesem Teilprojekt sollen daher empirische Studien durchgeführt werden, mit denen ermittelt werden soll, in welchem Ausmaß sich geringe kognitive Kosten durch digitale Wissensmedien auf Lernergebnisse auswirken.

Ohne selektive Aufmerksamkeit ist kein Lernen möglich (Stern, 2017). Selektive Aufmerksamkeit ermöglicht das Filtern relevanter Informationen und beinhaltet notwendig das Unterdrücken (Inhibieren) irrelevanter Informationen (Styles, 2006). Die selektive visuell-räumliche Aufmerksamkeit spielt entsprechend beim Lernen mit dynamischen interaktiven Lernumgebungen eine zentrale Rolle. Daher wird, aufbauend auf dem Wissenskorpus über Grundlagen, Rahmenbedingungen und Probleme der Fokussierung der visuell-räumlichen Aufmerksamkeit beim Verfolgen bewegter Objekte (Wolf & Pfeiffer, 2014, Brockhoff et al. 2016, Wolf et al. 2018) untersucht, wie gut das Inhibieren unvermeidlicher Störreize gelingen kann.

Der Begriff Computational Thinking (Wing 2006) hat sich in verschiedenen Zusammenhängen im Kontext der Informatik und auch in problemlösungsorientierten Anwendungen etabliert (Standl 2017). So kann Computational Thinking nicht nur als Bezugsrahmen für das Erlernen von Programmierkonzepten, sondern auch als Begriff für informatische Problemlösungsstrategien verstanden werden.  Das Promotionsvorhaben untersucht, wie Problemlösungsansätze aus Computational Thinking nicht nur in algorithmischen Kontexten angewendet werden können, sondern identifiziert auch informatikdidaktische Strategien für den Informatikunterricht.

Die Anreicherung und Überlagerung der Realität mit Informationen und digitalen Interaktionen (Hansert et. Al 2020) bietet die Möglichkeit, explorativ und mit deutlich erweiterten Möglichkeiten den Prozess der Wissensvermittlung zu unterstützen. Werden Natural User Interfaces (NUI), beispielsweise mit Tangibles, also realen Gegenständen, denen Bedeutungen und Funktionen überlagert werden, mit anderen Techniken der Augmented Reality kombiniert, entstehen neue Interaktionsformen, die teils deutliche Vorteile gegenüber rein digitalen oder rein „analogen“ Möglichkeiten bieten. Die Überlagerung resultiert allerdings immer auch in artifizieller Funktionalität, die für Nutzer eine Hürde darstellen kann. Ziel des Promotionsvorhaben ist es, entsprechende Technologien der Augmented Reality in Kombination mit NUI zu entwickeln, zu erforschen und auf ihre Eignung für die Wissensvermittlung in Nutzerstudien zu überprüfen.

Zur Wissensvermittlung werden in der Lehre heute meist einzelne, weitgehend abgeschlossene und nicht interoperable Systeme z.B. zur Präsentation oder für Videokonferenzen und Skripte sowie meist eine Lernplattformen wie ILIAS und Moodle eingesetzt. Für einzelne Technologien wie Recommender-Systeme für Lehrende und Lernende, KI-basierte Auswertungskomponenten, Visualisierungskomponenten aber auch semantische Annotationen spielt die Integration und Interoperabilität eine große Rolle für die Nutzbarkeit und Wirkung. Im Rahmen des Promotionsvorhabens soll erforscht werden, wie Technologien zur Analyse von Prozessen der Wissensvermittlung und des Lernens als Komponenten entwickelt und integriert werden können. Hierzu sollen auch entsprechende Komponenten realisiert und in einem bestehenden System integriert werden, um damit auch im Rahmen der Promotion beziehungsweise im Kolleg Studien durchzuführen.

Der Einsatz von virtuellen Welten (VR) für Lehr-/Lernzwecke wurde bereits seit den 90er Jahren untersucht. Der neuere Aufschwung ist insbesondere auf die technologische Weiterentwicklung und Verbilligung der Geräte sowie die Vereinfachung der Entwicklungstools, getrieben von der Spieleindustrie, zurückzuführen. Allerdings verbessert der Einsatz von immersiven Technologien den Lernerfolg nicht automatisch. Zwar gibt es bereits einige Untersuchungen, um diese Frage zu beantworten (zu Beispiel Chavez und Bayona 2018, Jensen und Konradsen 2018 sowie Kaplan et al. 2020) jedoch fehlt zumeist die Überprüfung, ob das im virtuellen Raum Gelernte sich in der Realität so auch anwenden lässt. Das Ziel des Promotionsvorhabens ist es, Erfolgsfaktoren für VR zu identifizieren und die Anwendbarkeit des Gelernten in die reale Welt zu übertragen.

Lernen kann auf unterschiedliche Weise erfolgen. Eine der Aufgabe angemessene und für den Lernenden zugeschnittene Lehrstrategie kann den Lernerfolg verbessern und ist eine wichtige Komponente für erfolgreiches Lernen (siehe Bernard et al., 2004). Neben der reinen Wissensvermittlung bieten verschiedene Interaktionsstrategien das Potenzial, sich positiv auf den Lernerfolg auszuwirken. So bietet z.B. die Interaktion mit Chatbots wie ChatGPT und Sprachassistenten vielfältige neue Möglichkeiten des Wissenserwerbs. Es sind jedoch noch viele Fragen offen, wie Interaktionstechnologien im Lehr-Lernkontext konzipiert und eingesetzt werden sollten, um den Lernerfolg zu unterstützen. Hier soll das Promotionsvorhaben ansetzen: Es soll wissenschaftlich untersucht werden, wie die verschiedenen Interaktionsstrategien wirken, was dabei zu beachten ist und welche Empfehlungen davon abgeleitet werden können.

Neue Lernkulturen gehen meist mit innovativen Technologien einher. Um digitale Lernszenarien erfolgreich einzusetzen, braucht es kreative technologische Ansätze. Dazu zählen Virtual-Reality-Ansätze ebenso wie intelligente Cloudsysteme oder interaktive Lerntools. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, inwieweit diese neuen Technologien auch zum Lernerfolg führen, inwiefern der Lerntyp eine Rolle spielt und welche weiteren Einflussgrößen auf den Lernerfolg existieren. Es gibt in der internationalen Literatur nur wenige Forschungsbeiträge zum Thema Education Technology (Vonarx et al., 2020). Ziel des Promotionsvorhabens ist es daher, die Einflussfaktoren auf den Lernerfolg beim Einsatz neuer Lerntechnologien zu identifizieren und auch in Abhängigkeit unterschiedlicher Lerntypen empirisch zu untersuchen.

Mit Verfahren des Maschinellen Lernen als Teilgebiet der Künstlichen Intelligenz werden bereits seit vielen Jahren Muster aus Daten automatisch extrahiert und für personalisierte, individuelle Empfehlungen (zum Beispiel Produkt-, Film- oder Buchempfehlungen) genutzt (Ricci et al. 2011). Auch im Bildungsbereich ist es sinnvoll, Daten und KI-Algorithmen als Teil von Learning Analytics (Gasevic et al. 2017, Vytasek et al., 2020) und Forschung zur datengetriebenen Schule, für individuelle Empfehlungen bezüglich Lern- und Lehrstrategien sowie den Einsatz von Medien zu nutzen, um so den Lernerfolg und die Motivation der Schüler:innen zu erhöhen. In diesem Teilprojekt sollen Algorithmen aus dem Bereich des Maschinellen Lernens, insbesondere überwachte und halbüberwachte Lernverfahren, sowie Methoden aus dem Gebiet der Recommender Systems und "explainable KI" (erklärbare Modelle) im Hinblick auf Erkennung von Mustern aus Daten (zum Beispiel von digitalen Lernplattformen), die zu hohen Lernerfolg führen, erforscht werden.

In der Forschung hat es sich gezeigt, dass Realismus eine Quelle der kognitiven Belastung sein kann (Skulmowski & Rey, 2020), aber auch, dass realistische Anteile die Aufmerksamkeit lenken können. So zeigten Lokka & Cöltecin (2019), dass eine kombinierte Darstellung, bei der nur wichtige Abschnitte einer Strecke, bei einer Navigationsaufgabe realistisch dargestellt werden, bessere Erinnerungsleistungen hervorruft als Darstellungen, bei denen alle Streckenanteile realistisch oder vereinfacht dargestellt werden. Die positiven Effekte realistischer Darstellungen scheinen laut aktuellen Befunden stark von den Ansprüchen der jeweiligen Aufgabe abzuhängen. So hilft Lernenden eine realistische Darstellung besonders dann, wenn der Lerntest ebenfalls aus realistischen Visualisierungen besteht (Skulmowski & Rey, 2021). In diesem Teilprojekt soll daher in experimentellen Studien ermittelt werden, für welche Aufgabentypen sich eine realistische Darstellung in AR eignet und für welche nicht.

Beteiligte Professor:innen

Pädagogische Hochschule Karlsruhe

Hochschule Karlsruhe

Hochschule Furtwangen

Sprecher des Kollegs

Koordination und Kontakt

Letzte Änderung: 21.06.2024
Für den Inhalt verantwortlich: bernhard.standl@ph-karlsruhe.de