Was beim Schreiben passiert

5. Poetik-Dozentur für Kinder- und Jugendliteratur an der Pädagogischen Hochschule Karlsruhe: Autorin und Dramaturgin Julia Willmann hält öffentliche Vorlesungen / Schreibwerkstatt für Studierende

Julia Willmann. Foto: Christine Fenzl

„Das haben wir noch nie probiert, also geht es sicher gut.“ Das sagt die kluge Pippi Langstrumpf und auch die Jury des Literaturfestivals Hausacher LeseLenz ist dieser Meinung. Also hat sie Julia Willmann als Stipendiatin ausgewählt und ihr damit gleichzeitig die Poetik-Dozentur für Kinder- und Jugendliteratur an der Pädagogischen Hochschule Karlsruhe für das Wintersemester 2018/2019 zugesprochen. Die freischaffende Autorin und Dramaturgin, die unter anderem Dozentin an der Deutschen Film- und Fernsehakademie ist, hat kein fertiges Kinderbuch eingereicht, sondern das Manuskript für „Rascha und die Tür zum Himmel“.

Im Rahmen ihrer Poetik-Dozentur hält die in Berlin lebende Schriftstellerin zwei öffentliche Vorlesungen an der Pädagogischen Hochschule Karlsruhe. Am Mittwoch, 14. November, von 14.15 bis 15.45 Uhr, sowie am Mittwoch, 16. Januar, jeweils in Gebäude 3, Raum 110, Bismarckstraße 10. Thema ist der Prozess, den Autoren und Autorinnen beim Schreiben durchlaufen. Der Eintritt ist frei. Zur Poetik-Dozentur, die in Kooperation mit dem Hausacher LeseLenz durchgeführt wird, gehören außerdem im November und im Januar eine Werkstatt zum literarischen Schreiben mit Studierenden der Pädagogischen Hochschule und am 15. Januar eine öffentliche Lesung im Prinz-Max-Palais in Kooperation mit der Literarischen Gesellschaft Karlsruhe.

Über das Schreiben sprechen

„Kinder- und Jugendliteratur als Genre messen wir an der Pädagogischen Hochschule Karlsruhe eine große Bedeutung bei“, sagt Prof. Dr. Heidi Rösch, Dekanin der Fakultät Sprach-, Literatur- und Sozialwissenschaften. Zusammen mit José Oliver und Beate Laudenberg ist sie Initiatorin der Kinder- und Jugendliteratur-Dozentur „kinderleicht & lesejung“. Bundesweit gibt es nur eine weitere Poetik-Dozentur dieser Art, nämlich an der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg.

„Im Rahmen von ‚kinderleicht & lesejung‘ holen wir Schriftstellerinnen und Schriftsteller an die Pädagogische Hochschule Karlsruhe, damit sie hier über das Schreiben sprechen. Die Lehramtsstudierenden erhalten dadurch wertvolle Anregungen für ihren späteren Beruf“, erläutert die Professorin für germanistische Literaturwissenschaft und Literaturdidaktik. Und weiter: „Es ist immer spannend, Autoren und Autorinnen hautnah zu erleben und ihre Sicht auf Poetik oder den Schreibprozess kennenzulernen.“

Lange sei um die pädagogische versus poetische Funktion von Kinder- und Jugendliteratur kontrovers gestritten worden, mittlerweile jedoch gelte sie als ästhetische Literatur, die gerade auch im Unterricht nicht auf ihre pädagogische Funktion reduziert, sondern poetisch gelesen werden sollte. „Hochwertige Kinder- und Jugendliteratur bildet Kindheit und Jugend nicht einfach ab, sondern öffnet den Blick für eine Zukunft, die die gegenwärtige Erwachsenenwelt durchaus kritisch beleuchtet und Räume schafft, die es noch zu besetzen gilt“, so Rösch.

Hintergrundinformationen zur Poetik-Dozentur „kinderleicht & lesejung“

Die Poetik-Dozentur für Kinder- und Jugendliteratur an der Pädagogischen Hochschule Karlsruhe gibt es seit dem Wintersemester 2014/15. Sie trägt den Titel „kinderleicht & lesejung“ – genau wie die Aktivitäten, die beim Literaturfestival Hausacher LeseLenz mit Schulklassen aus der gesamten Ortenau stattfinden. Dabei steht „kinderleicht & lesejung“ für ein Konzept von Kinder- und Jugendliteratur als Genre, das eine gewisse Leichtigkeit verspricht und jung hält. Inhaberinnen und Inhaber der Poetik-Dozentur können allgemeine oder individuelle Akzente setzen sowie das Schreiben, Vermarkten oder auch die Vermittlung von poetischer Kinder- und Jugendliteratur in den Blick nehmen. Es gibt keine inhaltlichen Vorgaben.

Weitere Infos auf https://www.ph-karlsruhe.de/projekte/poetik-dozentur

Interview mit Julia Willmann

Sie schreiben gerade Ihr erstes Kinderbuch „Rascha und die Tür zum Himmel“. Wie ist die Idee dazu entstanden? Warum ein Buch für Kinder? In ihrem ersten Roman, der 2017 erschienen ist, geht es um eine Frau, deren Mutter ins Koma fällt.
Willmann: Jede Geschichte ruft nach der passenden Form. Mein erster Roman erzählt von einer jungen Frau, die zurück zu sich selbst findet. Ihre Herkunftsfamilie spielt auf diesem Weg eine wichtige Rolle. Auch „Rascha und die Tür zum Himmel“ ist letztlich eine Familiengeschichte: Ein kleiner Junge nimmt Abschied von seiner geliebten Großmutter – ausgerechnet zur Zeit der Fastnacht. Freude und Trauer gehören zusammen, diese Idee stand hier am Anfang. Mir war schnell klar, dass sich das am besten aus der Sicht eines Kindes erzählen lässt. Es ist ein Buch für Kinder, das stimmt. Ob es ein Kinderbuch ist, das weiß ich gar nicht so genau.

Sie sind Hausacher Stadtschreiberin 2018/2019 für den Bereich Kinder- und Jugendliteratur und haben damit auch für dieses Wintersemester die Poetik-Dozentur an der Pädagogischen Hochschule Karlsruhe zugesprochen bekommen. Was reizt Sie an der Poetik-Dozentur, wie haben Sie sich dieser Aufgabe genähert?
Die Verbindung des Stipendiums mit der Poetik-Dozentur ist für mich eine glückliche Fügung: Von jeher ist ein wesentlicher Teil meiner Arbeit die Reflexion darüber, was beim Schreiben passiert. Die Poetik-Dozentur lädt in meinen Augen genau dazu ein: einen Schritt zurückzutreten und in Ruhe über Wesentliches nachzudenken. Darauf freue ich mich sehr.

Worum wird es in den beiden Vorlesungen gehen, die Sie an der Pädagogischen Hochschule Karlsruhe halten? Was möchten Sie den Studierenden vermitteln?
Es wird um den Prozess des Schreibens gehen – seien das Film- oder Romanerzählungen. Gemeint sind dabei weniger Techniken des Schreibens, wie sie üblicherweise gern vermittelt werden. Mir geht es eher um den Prozess, den Autoren und Autorinnen selbst beim Schreiben durchlaufen. Mein Blick richtet sich also in den beiden Vorlesungen weniger darauf, was innerhalb eines Werks geschieht, während es entsteht. Ich interessiere mich hier eher dafür, was mit demjenigen geschieht, der es schreibt.

Woran werden Sie in der Werkstatt zum literarischen Schreiben mit den Studierenden arbeiten? Und vor allem: wie?
Hier wird die Entwicklung von Stoffen im Mittelpunkt stehen: Wie entstehen Geschichten, wie finden sie zu uns? In der Literaturwerkstatt werden wir ganz an den Anfang gehen und im Urschlamm graben, aus dem Geschichten entstehen. Dafür gibt es eine Vielzahl praktischer Schreibübungen. Wir suchen gemeinsam diejenigen aus, für die sich die Teilnehmer und Teilnehmerinnen interessieren: sowohl im Hinblick auf die eigene Schreibpraxis als auch auf einen Einsatz im Unterricht.

Sie sind auch Filmdramaturgin. Wie sind Sie zum literarischen Schreiben gekommen? Und wodurch unterscheidet es sich vom audiovisuellen Geschichtenerzählen?
Als ich mit Anfang zwanzig in die Filmbranche eintauchte, war ich zunächst motiviert von der naiven Idee, Filmemachen sei (für mich) einfacher als Schreiben. Was für ein Irrtum! Seit einigen Jahren komme ich verstärkt dorthin zurück, wo ich angefangen habe: beim literarischen Schreiben. Es ist ein vollkommen anderes Nachdenken und Erzählen. Und für mich die Kunstform, in der ich das, was ich zu geben habe, am besten ausdrücken kann.

Hintergrundinformationen zu Julia Willmann

Julia Willmann, 1973 in Freiburg i.Br. geboren und aufgewachsen, lebt in Berlin. Studium der Germanistik, Romanistik und Medienwissenschaften in Aix-en-Provence und Düsseldorf. Studium der Filmregie in Berlin. Seit 2010 freischaffende Autorin und Dramaturgin. Dozenturen an der Deutschen Film- und Fernsehakademie Berlin und der Internationalen Filmschule Köln. Seit 2003 Veröffentlichung literarischer Texte in Anthologien und Literaturzeitschriften. 2010 Stipendiatin der Kunststiftung Baden-Württemberg, 2017 Stadtschreiberin von Rottweil, 2018/2019 Stadtschreiberin von Hausach. Jüngste Publikation: was es ist. Roman. Fontis-Brunnen. Basel 2017.

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