Die andere Stimme: US-Entwicklungspsychologin Carol Gilligan hält Hedwig Kettler-Lecture 2021

Mit ihrer Hedwig Kettler-Lecture erinnert die Pädagogische Hochschule Karlsruhe (PHKA) an die Frauenrechtlerin Hedwig Kettler, die 1893 in Karlsruhe das erste deutsche Mädchen­gymnasium gründete. Für die vierte Auflage der öffentlichen Vorlesung am 15. Dezember hat die PHKA die US-amerikanische Entwicklungspsychologin Carol Gilligan gewinnen können. Ihre in den 1980er Jahren erschienene Studie „Die andere Stimme. Lebenskonflikte und Moral der Frau“ läutete einen grundlegenden Wandel in der Entwicklungspsychologie ein.

Prof. Dr. Carol Gilligan. Foto: privat

Prof. Dr. Carol Gilligan. Foto: privat

Seit 2018 widmet sich die öffentliche Hedwig Kettler-Lecture der Pädagogischen Hochschule Karlsruhe einmal jährlich Fragen der Lehr-Lern-Forschung und erinnert an die deutsche Frauenrechtlerin Hedwig Kettler, die 1893 in Karlsruhe das erste deutsche Mädchengymnasium gründete. Referentin der diesjährigen Vorlesung am Mittwoch, 15. Dezember, um 18 Uhr ist die US-amerikanische Entwicklungspsychologin Carol Gilligan. International bekannt wurde die Professorin für Geisteswissenschaften und Angewandte Psychologie (New York University) für ihre Forschungen zur moralischen Entwicklung von Mädchen und Frauen.

In ihrer englischsprachigen Online-Vorlesung „Joining the Resistance: The Need for a Different Voice“ (Sich dem Widerstand anschließen: Warum wir eine andere Stimme brauchen) spricht die 1936 geborene Wissenschaftlerin am 15. Dezember über unsere „Verbindungskrise“ und die von ihr begründete Methode des radikalen Zuhörens. Außerdem besteht die Möglichkeit, mit Carol Gilligan über aktuelle Herausforderungen in der Bildung zu diskutieren.

Den Link zur Online-Veranstaltung gibt es auf ph-ka.de/hedwigkettler-lecture, eine Anmeldung ist nicht erforderlich. Videoaufzeichnungen der ersten drei Lectures stehen ebenfalls auf ph-ka.de/hedwigkettler-lecture zur Verfügung.

Trennung überwinden durch aktives Zuhören

Carol Gilligans bahnbrechende Studie „Die andere Stimme. Lebenskonflikte und Moral der Frau“ war in den 1980er Jahren sehr einflussreich und läutete einen grundlegenden Wandel in der Entwicklungspsychologie ein. Gilligan sprach sich gegen Theorien aus, die Männer für moralisch überlegen hielten. Stattdessen bezog sie die Stimmen, die Erfahrungen und den Mut von Mädchen ein. Gilligan wandte sich gegen diskriminierende soziale Strukturen, die zwangsläufig zu sozialer Isolation, Trennung und sozialem Schweigen führen. Die „andere Stimme“ ist eine Stimme, die die sozialen Beziehungen von Menschen stärkt, keine patriarchalische Stimme.

Gilligans Studie hatte großen Einfluss auf die Bildungspraxis weltweit. Für Lehrkräfte, Schulleitungen sowie insbesondere für Jugendliche erwies es sich als sehr wertvoll, Trennung durch einen Prozess des aktiven Zuhörens überwinden zu können. Gilligan und ihre Kolleginnen und Kollegen riefen Programme ins Leben, um den Widerstand gegen strukturelle Diskriminierung und den Mut von Kindern und Jugendlichen im Hinblick auf Vielfalt zu stärken.

Zur Person

Carol Gilligan wurde 1936 in New York geboren. 1958 erwarb sie einen Bachelor in englischer Literatur am Swarthmore College, 1961 einen Master in Klinischer Psychologie am Radcliffe College und 1964 einen Ph.D. in Sozialpsychologie an der Harvard University. Sie war Dozentin und Tutorin an der University of Chicago sowie in Harvard, bevor sie 1971 als Assistenzprofessorin an die Harvard Graduate School of Education wechselte. 1979 wurde sie zum Associate Professor und 1986 zum Full Professor befördert. Ab 1997 war sie Patricia Albjerg Professor of Gender Studium an der School of Education, 2002 wurde sie zur Universitätsprofessorin für Geisteswissenschaften und Angewandte Psychologie an der New York University ernannt.

Zusammengearbeitet hat Carol Gilligan unter anderem mit Erik H. Erikson (1902 bis 1994), einem deutsch-amerikanischen Entwicklungspsychologen mit jüdischen Wurzeln, der als Kind nach Karlsruhe kam und Schüler des der PHKA gegenüberliegenden Bismarck-Gymnasiums wurde. 1933 emigrierte Erikson von Wien aus in die USA.

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  regina.schneider@vw.ph-karlsruhe.de