BMBF Ausschreibung: Voraussetzungen für das Lesenlernen - analog und digital

Gefördert werden Forschungsprojekte, die Wissen für eine erfolgreiche Implementierung von wissenschaftsbasierten und praxistauglichen Maßnahmen der digitalen oder der analogen und digitalen Förderung von frühen (schrift-)sprachlichen Fähigkeiten in Hinblick auf das Lesenlernen bereitstellen und dabei Möglichkeiten für deren Transfer in die pädagogische Praxis aufzeigen. Die Ausschreibung erfolgt im Rahmenprogramm empirische Bildungsforschung.

Der Elementarbereich ist in den vergangenen Jahren als erste Bildungseinrichtung von Kindern und als Basis des Bildungswesens anerkannt worden – unter anderem haben alle Bundesländer Bildungspläne veröffentlicht, die die inhaltliche Ausgestaltung der frühpädagogischen Arbeit rahmen. Der sprachlichen Bildung wird in den Bildungsplänen aller Länder jeweils ein eigenes Kapitel gewidmet – zurecht, denn Sprachvermögen ist eine Schlüsselkompetenz. Sie ist für erfolgreiches Lernen genauso wichtig wie für beruflichen Einstieg und berufliche Entwicklung und – nicht zu unterschätzen: für eine adäquate Teilhabe am gesellschaftlichen Leben.

Ausgehend von dieser Grundannahme und dem Befund, dass sich ein beträchtlicher Teil der Unterschiede im Bildungserfolg durch den sprachlichen Entwicklungsstand erklären lassen, den die Kinder bis zur Einschulung erreicht haben, sind in den vergangenen Jahren vielfältige Projekte und Programme entstanden, die die sprachlichen Er­fahrungen der Kinder frühzeitig, das heißt schon im Elementarbereich, unterstützen – mit dem Ziel, für mehr Chancengerechtigkeit schon vor Schulbeginn zu sorgen und sicherzustellen, dass möglichst alle Kinder mit vergleichbaren Lernchancen in die Schule starten.

In den elementarpädagogischen Einrichtungen werden Kindern vielfältige Erfahrungen mit der Erzähl-, Buch- und Lesekultur ermöglicht. Diese Erfahrungen sollen neben der sprachlichen Bildung auch bereits die bei den Kindern vorhandene Neugier auf die Schriftsprache und auf das Lesen fördern. Einige Programme und Projekte unterstützen sogenannte Vorläuferfertigkeiten für das Lesen, wie beispielsweise die phonologische Bewusstheit. Andere richten den Blick auf alltagsintegrierte Angebote, in denen Kinder sich auf unterschiedliche Weise mit Schrift und Sprache auseinandersetzen. Gemeinsam ist all diesen Angeboten die Annahme, dass Kinder vor Eintritt in die Schule bereits vielfältige positive und spielerische Erfahrungen mit Erzähl-, Buch-, und Lesekultur gesammelt haben sollten. Diese bilden die Grundlage für basale Leselernprozesse und eröffnen Kindern ein Verständnis von der Struktur und Funktion der Sprache sowie des Lesens im Sinne einer „emergent literacy“ oder „early literacy“. Der Elementarbereich er­möglicht über diese Erfahrungen hinaus den Einstieg ins Lesenlernen und grenzt sich dabei dennoch vom schulischen Vermitteln des Lesens ab.

Zur Unterstützung der Entwicklung von Bildungs-, Entwicklungs- und Teilhabepotenzialen werden zunehmend auch digitale Formate als Ergänzung des pädagogischen Alltags diskutiert, dies auch ausgehend von einem sich wandelnden Alltag, der die Nutzung digitaler Medien bereits durch sehr junge Kinder miteinschließt. So können digitale Medien zunehmend auch in Bildungseinrichtungen neue Möglichkeiten eröffnen, sich spielerisch mit Buchstaben und Lauten auseinanderzusetzen und mehrsprachig zu kommunizieren. Schließlich können sie auch für eine individuellere Förderung von Kindern mit bestimmten Nachhol- beziehungsweise Unterstützungsbedarfen eingesetzt werden.


Zugleich wird die soziale, kulturelle und migrationsbedingte Vielfalt der Kinder in den elementarpädagogischen Einrichtungen größer und damit die Bildungsvoraussetzungen auch in sprachlicher Hinsicht verschiedener. Gerade die migrationsbedingte Mehrsprachigkeit dieser Kinder birgt große Potenziale für die allgemeine Sprachentwicklung, erfordert aber geeignete Konzepte, die durch digitale Formate unterstützt werden können. Die Heterogenität der Kinder befördert auch eine Vielfalt pädagogischer Zugänge, um den Kindern möglichst adäquate und individualisierte Angebote unter Aufgreifen mitgebrachter Erfahrungen der Kinder machen zu können. Hier können digitale Formate erweiterte Möglichkeiten bieten, sofern es pädagogischen Zielen dient. Dazu braucht es neben der Infrastruktur und dem Verständnis von elementarpädagogischen Einrichtungen als Lernorte eine Professionalisierung und Diversitätssensibilisierung der Fachkräfte in diesem Bereich: Sie müssen sich auf inhaltlicher Ebene den Möglichkeiten und Grenzen einer auch digitalen Beschäftigung der Kinder mit Schrift und Sprache widmen.

Ziel der geplanten Förderrichtlinie ist es,

  • Methoden zu entwickeln, um Kinder unter Berücksichtigung ihrer (auch sprachlich) diversen Ausgangsvoraus­setzungen bestmöglich auf das Lesenlernen in der Grundschule vorzubereiten um den Erwerb der Basiskompetenz Lesen zu stärken,
  • die Potenziale analoger wie digitaler Medien für die Förderung der Auseinandersetzung mit Schrift und Sprache für das Lesenlernen bereits in der frühen Bildung zu sichern und zu verbessern,
  • Möglichkeiten, Potenziale und mögliche Grenzen einer Verschränkung von analogen und digitalen Wegen dieser Auseinandersetzung zu erforschen und wissenschaftlich fundierte Handlungsempfehlungen für die Bildungspraxis bereitzustellen.

Hieraus ergeben sich unter anderem Forschungsfragen

  • zur systematischen Unterstützung der Auseinandersetzung der Kinder mit der Erzähl-, Buch- und Lesekultur auch auf digitalem Weg in der frühen Bildung;
  • zur Gestaltung von digitalen Rahmenbedingungen, um den Aufbau einer frühen Lesekompetenz in Institutionen und an den Schnittstellen zum sozialen Umfeld bestmöglich zu unterstützen;
  • zur Entwicklung von Diagnostikverfahren, Förderkonzepten und Professionalisierungsmaßnahmen auch in der digitalen Förderung literaler Fähigkeiten in Bezug auf das Lesen im Elementarbereich und im Übergang in die Schule;
  • zum Einbezug multiprofessioneller Teams und weiterer, auch nicht-pädagogischer Akteurinnen und Akteure in die Förderung der frühen Voraussetzungen für das Lesenlernen: Dazu zählen etwa ehrenamtliche Mentorinnen und Mentoren und die Eltern beziehungsweise die Familien der Kinder;
  • zur frühen Identifikation und Förderung von Kindern, die einem erhöhten Risiko unterliegen, sich später zu schwachen Lesenden zu entwickeln, und zur Untersuchung eines möglichen spezifischen Mehrwertes des Ein­bezugs digitaler Medien gerade für das Lesenlernen dieser potenziell schwachen Lesenden;
  • zu Konzepten der Spracherziehung und -bildung, die die Vorteile der Mehrsprachigkeit in Bezug auf das Lesenlernen nutzen und mögliche Nachteile ausgleichen.


Die aufgeführten Aspekte sind nicht als abschließend anzusehen.


Gefördert werden anwendungsorientierte Grundlagenforschung und/oder gestaltungsorientierte empirische Forschung. Die Maßnahmen, die in diesen Forschungsprojekten entwickelt werden, sollen theoretisch und empirisch fundiert und zugleich praxistauglich und auf andere Kontexte übertragbar sein.

In den Projekten soll die Anwendung der Forschungsergebnisse in der Praxis von Anfang an mitgedacht werden. Daher werden Verbünde, die mit Praxispartnern (das heißt mit Kitas, Schulen, Betrieben, Vereinen, Organisationen oder anderen in der Lebenswelt der Menschen agierenden Stellen) kooperieren, bevorzugt. Besonders gewünscht sind auch Forschungsprojekte, die die Bildungsadministration und/oder Entscheidungs­trägerinnen und -träger mit einbeziehen (zum Beispiel Landesinstitute, Qualitätseinrichtungen der Länder, Kita-/Schulträger, Verbände). Dies soll im Idealfall dazu dienen, bereits im Forschungsprozess den Transfer vorzubereiten beziehungsweise die Voraussetzungen für die Implementierung der Ergebnisse in der Praxis zu klären.

Abgabefrist für Projektskizzen: 22. Oktober 2024

Zur Ausschreibung

Für Rückfragen steht das Forschungsreferat (Stefan Wörmann und Kerstin Aberle) gerne zur Verfügung

  kerstin.aberle@ph-karlsruhe.de