Gedenkstättenpädagogik und Extremismusprävention: Schüler mit digitalen Lernspielen erreichen

Studierende und Lehrende für Geschichte der Pädagogischen Hochschule Karlsruhe haben in Kooperation mit dem Förderverein Ehemalige Synagoge Kippenheim neue digitale Konzepte für die Erinnerungs- und Gedenkstättenpädagogik an Schulen erarbeitet. Vor­gestellt wurden die Lernumgebungen kürzlich im Rahmen einer öffentlichen Veranstaltung.

Erinnerungspädagogik: Lehramtsstudierende der Pädagogischen Hochschule Karlsruhe haben neue digitale Lernumgebungen entwickelt. Foto: PHKA

Erinnerungspädagogik: Lehramtsstudierende der Pädagogischen Hochschule Karlsruhe haben neue digitale Lernumgebungen entwickelt. Foto: PHKA

„Erinnerungskultur bleibt eine wichtige Aufgabe“, sagte Rektor Prof. Dr. Klaus Peter Rippe, als er kürzlich zu einer öffentlichen Präsentationsveranstaltung begrüßte, bei der Lehramtsstudierende an der Pädagogischen Hochschule Karlsruhe (PHKA) selbstentwickelte digitale Konzepte für die Erinnerungs- und Gedenkstättenpädagogik vorstellten. „Viele museums- und erinnerungspäda­gogische Einrichtungen leiden unter der Tatsache, dass immer weniger Schulklassen ihre Angebote nutzen“, so Dr. Ulf Kerber, Geschichtsdidaktiker am Institut für Transdisziplinäre Sozialwissen­schaft.

Auf seine Initiative und in Kooperation mit dem Förderverein Ehemalige Synagoge Kippenheim haben sich Lehramtsstudierende der PHKA deshalb der Problematik aus Schüler­per­spektive genähert und mediendidaktisch anspruchsvolle digitale Lernräume entwickelt. Ziel ist, „Schülerinnen und Schülern Grundlagen­wissen über das Judentum zu vermitteln, eine Vertiefung und aktive Auseinandersetzung mit dem Gelernten zu ermöglichen sowie das Nachdenken zu fördern über kollektive Verantwortung und den Umgang mit heutigen Formen von Rassismus und Diskriminierung“, erläutert Prof. Dr. Sabine Liebig, Professorin für Neuere und Neueste Geschichte. Insgesamt am Projekt beteiligt waren 31 Studierende.

Mobiles Geschichtslernen

Entwickelt haben sie im Rahmen Ideen für digitale Lernpfade und WebQuests, Konzepte, die mit der Vor-Ort-Erkundungs-App Actionbound umgesetzt werden, ein Microlearning-Projekt für Instagram und ein Escape Game-Konzept namens „Heimkehr“, mit dem Schülerinnen und Schüler der Klassen 8 bis 10 auf virtuelle Spurensuche in Kippenheim gehen können. Sie sammeln Beweise für begangene Verbrechen und eignen sich so Wissen rund um Verfolgung, Ausgrenzung, Diskriminierung sowie Flucht und Remigration an. Entwickelt haben diesen Spielprototypen vier Lehramtsstudierende, die Idee dazu hatte Nikolai Dübon. „Lernspiele sollten sich anfühlen wie echte Spiele“, erläutert der angehende Geschichts- und Englischlehrer seine Motivation. Wichtig dabei seien die richtigen Mittel. „In unserem Fall die richtige Software“, bilanziert er.

Und Dr. Kerber ergänzt: „Es kommt auch darauf an, themensensible, aber dennoch angemessene Unterhaltung zu bieten und Lernenden das Gefühl zu vermitteln, etwas Außergewöhnliches zu tun.“ Unabdingbar seien darüber hinaus eine hohe Relevanz zum Bildungsplan sowie messbare Lernergebnisse. „Wichtig war uns, dass die Studierenden sowohl die Bedürfnisse der Schülerinnen und Schüler als auch der Schulen und der Erinnerungsstätten im Blick haben“, so Prof. Liebig. Eine Studierendengruppe hat deshalb beispielsweise auf „mobiles Geschichtslernen mit Instagram“ gesetzt und das Konzept für eine „tragbare Lern­umgebung für die Hosentasche“ erarbeitet. „Rund 80 Prozent der Schülerinnen und Schüler in der Mittelstufe haben ein Smartphone“, sagt Lehramtsstudentin Svenja Schlieter. Warum also nicht mit kleinen Aufgaben für das Handy in wenigen Sekunden Bewusstsein schaffen für die Verfolgungsgeschichte der Juden und dabei gleichzeitig lernen, sinnvoll und verantwortlich mit den Sozialen Medien umzugehen?

„Sehr überzeugende Ergebnisse“

Eines der insgesamt acht Konzepte möchte der Förderverein Ehemalige Synagoge Kippenheim umsetzen. Erster Vorsitzender Jürgen Stude und weitere Mitglieder des Fördervereins nutzten die Gelegenheit, bei der Präsentationsveranstaltung mit den Studierenden ins Gespräch zu kommen, sich die Konzepte erläutern zu lassen und sie selbst auszuprobieren. Andreas Schulz, Fachreferent der Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg und Vortragender bei der Präsentationsveranstaltung, bescheinigte den PHKA-Studierenden „sehr überzeugende Ergebnisse“. Digitalisierung im Bereich der Vermittlungsarbeit ermögliche den Gedenkstätten, Menschen zeit- und ortsunabhängig zusammenzubringen.

Für Rektor Rippe ist es wichtig, dass die Hochschule „eng mit der Zivilgesellschaft zusammenarbeitet“. „Außerdem fördert das Kooperationsprojekt die Kompetenzen unserer Lehramtsstudierenden sowohl bei der Erstellung als auch beim Umgang mit digitalen Lernumgebungen“, betonte der Hochschulleiter. Und das passend zu den neuen Hochschulprofilfeldern „Bildung in der demokratischen Gesellschaft“ und „Bildungsprozesse in der digitalen Welt“.

Teilprojekt von InDiKo

Das innovative Social Learning-Projekt zu Erinnerungs- und Gedenkstättenpädagogik ist Teil des Hochschulentwicklungsprojets InDiKo, mit dem die PHKA die digitalen Kompetenzen ihrer Lehramtsstudierenden stärkt. InDiKo steht für „Nachhaltige Integration von fachdidaktischen digitalen Lehr-Lern-Konzepten an der Pädagogischen Hochschule Karlsruhe“ und wird durch die Qualitätsoffensive Lehrerbildung gefördert.  Im Rahmen von InDiKo entwickelt die PHKA ihr verpflichtendes Studienmodul „Medienbildung und Digitale Bildung“ weiter, konzipiert, erprobt und evaluiert in sieben fachspezifischen Teilprojekten digitale Lehr-Lern-Konzepte und baut ihren Innovation Space aus.

Pressemitteilung als pdf

  regina.thelen@ph-karlsruhe.de