Gute alte Zeit!? Eine Kulturgeschichte des Alltags und seiner Veränderung

Das allgemeine Interesse an Zeitgeschichte ist in den letzten Jahren stark angewachsen und hat damit gleichzeitig die Medienberichterstattung hierüber professionalisiert. Nicht zuletzt dadurch stehen die Befragungen von Zeitzeuginnen in einzelnen Fernsehsendungen i.d.R. quantitativ in einem ausgewogenen Verhältnis zu denen männlicher Zeitzeugen. Allerdings überwiegen bei diesen publikumswirksamen Beiträgen Berichte über Kriegszeiten, überwiegen dabei die Aussagen der Städterinnen und vor allem von (Ehe-)Frauen, die oftmals dem Kreis der Personen des öffentlichen Interesses angehören. So kann sich der/die historisch Interessierte inzwischen ein realistisches Bild über den Alltag während des Zweiten Weltkrieges, die unmittelbare Nachkriegszeit sowie über Menschen auf der Flucht und während der Vertreibung machen. Diesem auch in Printform vorliegenden Genre der Oral-History steht eine unüberschaubare Anzahl von Publikationen zur Frauenforschung gegenüber, die mit dem selben methodischen Instrumentarium über rollenspezifische Themen wie die Hausarbeit ein Stück allgemeine Gesellschaftsgeschichte präsentieren.

Im Rahmen des vorliegenden Projektes sollen demgegenüber Alltag und Lebensraum von Frauen auf dem Land mittels Interviews aufgearbeitet werden, wobei der kriegs-, nicht aber der krisenferne Alltag in den Hintergrund treten wird. Vorrangiges Erkenntnisinteresse stellt dabei die longue durée dar, also nicht die Frage nach dem Leben auf dem Land als solchem, sondern danach, wie sich allgemein Leben und Lebensbedingungen seit Ende des 19., besonders aber im Verlauf des 20. Jahrhunderts verändert haben.

Indem Frauen, als Korrektiv zur intersubjektiven Überprüfbarkeit aber auch Männer aus verschiedenen (wirtschafts-)geographischen Regionen und unterschiedlicher Konfessionen ebenso über das Leben ihrer Eltern befragt werden, soll vor allem also der rapide wirtschaftliche, technische und soziale Wandel im 20. Jahrhundert verdeutlicht werden. Um wissenschaftlichen Ansprüchen zu genügen, müssen die Aussagen der Interviewten in einem zweiten Schritt an Erkenntnissen der allgemeinen Geschichtswissenschaft, der Wirtschafts-, Sozial- und Technikgeschichte sowie der Frauenforschung gespiegelt und mit einer „Theorie historischer Lebensverläufe“ untermauert werden. D.h., dass die Interviews durchaus auch der Korrektur fachwissenschaftlichen Wissens und liebgewonnener Vorstellungen über die „gute alte Zeit“ dienen können. In diesem Sinne ist beispielsweise gerade die Großfamilie im Sinne einer Mehrgenerationenfamilie zu hinterfragen, oder auch der Glaube, "früher" habe es weniger Lärm oder Hektik gegeben.

Projektleitung

Sprechstunden:
Di., 16:00 bis 17:00 Uhr nach Anmeldung über Stud.IP (hier via "Profil" + "Terminvergabe").
Die Sprechstunden finden in Präsenz in Raum 4.415 statt!
Letzte Änderung: 13.02.2020